Was uns unsere Werte wert sind
Die christlich-demokratische Präsidentin der EU-Kommission Ursula von der Leyen verkündete am 3. März 2020 stolz, dass die Europäische Union 700 Millionen Euro für Grenzschutz ausgeben will. Es klang, als würde der Kontinent von fremden Mächten angegriffen. In Wahrheit sind es Menschen in Not, die sich der Staatenbund vom Hals halten will.
Am 5. März beschloss das Parlament der Bundesrepublik Deutschland einen Antrag der Grünen abzulehnen, in welchem gefordert wurde, die Republik möge, wegen der sich zuspitzenden Situation an der türkisch-griechischen Grenze, 5000 besonders schutzbedürftige Flüchtlinge aufnehmen. Gegen den Antrag hatten nicht nur die menschenverachtende AfD, sondern auch die sich christlich nennenden CDU und CSU und die angeblich für internationale Solidarität einstehenden Sozialdemokraten, die SPD, gestimmt.
Man muss bezweifeln, dass die Abstimmung im Bundestag dem Willen der Parteimitglieder der drei Volksparteien entspricht. Denn sonst hätten wir eine Situation, in der Werte wie Nächstenliebe und Brüderlichkeit für die, die sich diese einst an die Fahnen geschrieben haben, nichts mehr wert wären. Oder nur etwas bedeuten würden, wenn es um die Not von EU-Bürgern ginge. Die Pastorin Annette Behnken in der Sendung „Das Wort zum Sonntag“ vom 7. März scheute sich nicht, ihr Entsetzen darüber, dass nicht einmal den Schwächsten, den Kindern, geholfen würde so auszudrücken:
„Ich könnte kotzen.“
Dennoch, kotzen allein reicht nicht.
Seit 2018 lassen sich immer mehr Städte und Gemeinden zu sogenannten Sicheren Häfen erklären. Mittlerweile sind es deutschlandweit 138 an der Zahl. Einer davon ist Mannheim. Die Sicheren Häfen erklären sich bereit, mehr Flüchtlinge aufzunehmen, als sie es rechtlich müssten und sich darüber hinaus für Seenotrettung einzusetzen. Sie sagen "Wir wohnen in einem der reichsten Ländern der Welt und wir haben Platz". Sie protestieren seit Tagen gegen die Herzlosigkeit der Politiker. Sie übernehmen moralische Verantwortung, wenn sich die Republik dieser entzieht. Sie zeigen, dass es in Europa Menschen gibt, denen Wörter wie Nächstenliebe und Solidarität noch etwas bedeuten.
Man weiß nicht, ob es die Proteste der Menschen oder die klaren Worte der Pfarrerin waren; in der Nacht zum Montag den 9. März hat die Große Koalition beschlossen, dass Deutschland bis zu 1500 schutzbedürftige Kinder aus den griechischen Lagern aufnimmt. Das ist gut, aber lange nicht genug.